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  Sachsen zur Zeit Kurfürst Christians I.
von Christoph Zeidler
 
         
  Als Kurfürst August am 11. Februar 1586 verstarb, lebten von den 15 Kindern, die aus seiner Ehe mit Anna, der Tochter Christians III. von Dänemark, hervorgegangenen waren, nur noch vier, darunter neben drei verheirateten Frauen als einziger Mann sein Sohn Christian. Der Erbfolge gemäß bestieg dieser als Christian I. nunmehr den kurfürstlichen Thron der albertinischen Linie des sächsischen Fürstenhauses von Wettin. Mit ihm kam - geboren am 29. Oktober 1560 in Dresden - im Lebensalter von 26 Jahren nun ein Fürst zur Macht, der schwach an Körper und Charakter, dabei aber von milder Gesinnung und frommer christlicher Glaubenshaltung war. Wenn auch nicht unbegabt, fehlten ihm jedoch die für eine konsequente Führung des Regentenamtes unerlässliche ausdauernde Arbeitskraft sowie praktische Nüchternheit. Ruhelos und aktiv, aber als unausgeglichen und hinsichtlich der Konsequenzen seines Handelns wenig bedachtsam, so überschritt er – in weitgehendem Gegensatz zu seinem Vater - das Durchschnittsmaß fürstlicher Prägung seiner Zeit nicht. Dabei war er jedoch von der Würde seines fürstlichen Standes und dem hohen Rang Kursachsens durchaus überzeugt, was sich nicht zuletzt in der Erweiterung der Hofhaltung und einer sichtbaren Zunahme der Prachtentfaltung niederschlug. Den leidigen Sitten der Zeit folgend erwies er sich bedauerlicherweise als ein großer Freund des Bechers und der Tafelfreuden, was sicher die Basis für sein frühes Ableben gelegt haben dürfte.
Aus seiner am 23. September 1583 in Dresden mit Sophie (1568–1622), der Tochter des brandenburgischen Kurfürsten Johann Georg geschlossenen Ehe gingen drei Söhne und zwei Töchter hervor. Der älteste Sohn übernahm 1601 die Regierung als Kurfürst Christian II. von Sachsen. Die Ehe Christians I. wird als wenig glücklich bezeichnet, was bei der streng lutherisch eingestellten und damit verständlicherweise scharfen Gegnerin des Kanzlers Crell nicht verwundert.
Um Christian auf sein künftiges Herrscheramt vorzubereiten, hatte ihm sein Vater 1581 den Vorsitz im Geheimen Rat übertragen. Letzterer war bereits 1574 von Kurfürst August als oberste kollegialische Regierungsbehörde installiert worden, um durch Befestigung der staatlichen Macht die Wirksamkeit seines Regierens steigern zu können. 1584 wurden dem künftigen Herrscher weiterhin wesentliche Befugnisse in der inneren Verwaltung zu einer selbständigen Entscheidung zugewiesen. Hier stand ihm nun mit dem großbürgerlichen Nikolaus Crell ein einflussreicher Mentor und Berater zur Seite. Dieser neigte zur reformierten Konfession und teilte die sicher aus der höfischen Erziehung resultierende Abneigung des jungen Kurprinzen gegen die Starrheit eines orthodoxen Luthertums. Zwischen beiden Männern entwickelte sich daraus eine als freundschaftlich zu bezeichnende Beziehung, in der Crell ohne Zweifel der intellektuell deutlich überlegene Partner war. So überließ Christian I. nach seiner Thronbesteigung die Gestaltung der sächsischen Politik in hohem Grade diesem nur wenigen Jahre älteren, dabei aber ohne Zweifel außerordentlich fähigen, willensstarken und zielstrebig agierenden Mann. 
 
         
 


Christian I.: Stich SGD

 
         
  Nicolaus Crell (auch Krell), geboren wohl 1551 als Sohn eines Professors der Rechte in Leipzig, hatte die Fürstenschule zu Grimma besucht und anschließend ebenfalls in Leipzig Jura studiert. Ein mehrjähriger Aufenthalt in Frankreich – der wesentlichste Repräsentant reformierter Glaubensrichtungen Jean Cauvin, später bekannt als Johannes Calvin, stammte bekanntlich aus Frankreich - dürfte die Basis zu seiner zukünftigen religiösen Einstellung gelegt haben. Bereits 1580 nach Dresden berufen gelang ihm nach Umorganisation der noch von Kurfürst August geschaffenen Verwaltungsorgane bis 1589, letztlich auch nach der Auflösung des Geheimen Rates, der Aufstieg zum allmächtigen Kursächsischen Kanzler am Dresdner Hof. In dieser exponierten Stellung bestimmte er nunmehr die politischen Geschicke Sachsens in der Innen-, Religions- und Außenpolitik während der nur fünf Jahre bemessenen Regierungszeit Kurfürst Christians I. In welchem Maße jedoch die selbständigen Gedanken und die Vorgehensweise der nunmehrigen Landesherren, der ja immer die letzte Entscheidung zu treffen hatte, von den Vorstellungen und Aktivitäten Crells beeinflusst oder gar bestimmt wurden, bleibt mangels aussagekräftiger Quellen weithin umstritten und damit spekulativ.   
         
 


Nikolaus Krell (1552-1601): Gemälde eines unbekannten Künstlers, SGD

 

 

     
  Christian I. wird - jedoch in der Geschichtsschreibung vielleicht tatsächlich zu einseitig – hingegen als prachtliebender Renaissancefürst gekennzeichnet, der an die Kunst außerordentliche Ansprüche stellte. Zahlreichen Aspekten der Kunst, insbesondere der Architektur leidenschaftlich zugetan, erblickte er darin nicht zuletzt auch den Ausdruck der von ihm angestrebten fürstlichen Repräsentation. Unterrichtet von dem Dresdner Künstler Matthias Krodel fertigte Christian I. sogar eigenhändig Zeichnungen an, von denen sich einige im Dresdner Kupferstichkabinett erhalten haben. Zudem bekundete er auch eine ausgeprägte Vorliebe für zahlreiche Jagdunternehmungen und Gestaltungen von „Inventionen“, d.h. von opulenten festlichen Umzügen sowie von Turnieren, Ritterspielen, Rennen, Stechen und anderen Bestandteilen des seinerzeitigen Festwesens. Tatsächlich erlebte die Hofkunst in Sachsen zur damaligen Zeit – nicht zuletzt durch die Mitwirkung italienischer oder italienisch geschulter Kräfte - insgesamt einen bedeutenden Aufschwung, von dem noch heute zahlreiche Objekte in den Dresdner Sammlungen ein sichtbares Zeugnis ablegen. Wenn auch späteren Veränderungen unterworfen gilt gleiches auch für die Erweiterung des Dresdner Schlosses durch den Kleinen Schlosshof mit dem zugehörigen Prachtportal, den Stallhof mit dem Langen Gang und dem heutigen Johanneum. Nicht zuletzt künden auch die noch erhaltenen linkselbischen Teilverstärkungen durch die Jungfernbastion als letzte Expansionsmaßnahme der bastionären Fortifikationsanlage von den bemerkenswerten architektonischen Aktivitäten Christians I. in seiner sächsischen Residenzstadt Dresden.

Crell und seine Vertrauten verfolgten nun eine Politik der Öffnung gegenüber dem westeuropäischen calvinistischen Gedankengut. Diese Hinwendung musste naturgemäß mit einer Distanzierung von dem bisher bestimmenden orthodoxen Luthertum einhergehen. Das zeigte sich besonders im Verzicht auf die Verpflichtung zur Konkordienformel, in Veränderungen bei der Besetzung von führenden Positionen am Hof, an Schulen, Universitäten und in den Kirchen sowie in der Publikation veränderten theologischen Schrifttums. Nicht zuletzt brachte die Abschaffung des bisher als unumgänglich angesehenen Exorzismus bei der Taufe – die an eine festgefügte Formel gebundene Austreibung des Teufels mit dem Ziel der lebenslänglichen Befreiung des Täuflings aus der Gewalt des Bösen - für weite Kreisen der Bevölkerung einen sichtbaren Einschnitt in den gewohnten Ritus. Insgesamt zog sich Crell damit verständlicherweise die Feindschaft der lutherischen Geistlichkeit des Landes zu. Seine Machtstellung und somit verfolgte Politik führte zugleich auch zu einer Schwächung des Einflusses der Stände, welche durch die sich darin abzeichnende Tendenz zu einer absolutistischen Regierungsweise ebenfalls in immer stärker werdende Opposition gegen den mächtigen Kanzler gerieten.
Die veränderte Einstellung im Lande wirkte sich naturgemäß auch auf die Außenpolitik aus. Die kaisertreue Bindung wurde aufgegeben. An ihre Stelle trat nunmehr das Bemühen um eine Sammlung aller protestantischen Kräfte, das zu einer Verständigung mit den bisher entgegenstehenden calvinistischen fürstlichen Herren, zur Unterstützung einer frankreichfreundlichen Politik und zu diesbezüglichen Hilfeleistungen führte. So wurde im Januar 1591 in Torgau zwischen Kursachsen, der Kurpfalz, Kurbrandenburg, Hessen, Anhalt und einigen anderen evangelischen Fürsten eine protestantische Union als Defensivbündnis gegen die katholische Partei im Reich verabredet, die Kursachsen nun an die calvinistischen Reichstände band. Zur erhofften Wirksamkeit kam es infolge des unerwarteten Ablebens von drei potenten Teilnehmern jedoch nicht.

Ohne einen höheren Grad fürstlicher oder menschlicher Reife erlangt zu haben, ist Kurfürst Christian I. – fraglos als Folge seiner unmäßigen Lebensweise - im Alter von nur 31 Jahren am 24. September 1591 in Dresden verstorben. Er wurde im Dom zu Freiberg in der Begräbniskapelle der protestantischen albertinischen Wettiner zu letzten Ruhe gebettet.

Mit seinem Ableben endete der Versuch, in den kursächsischen Landen ein reformiertes Kirchen- und Staatswesen aufzubauen. Mit einem Schlag änderte sich dadurch auch die politische Lage: Kursachsen kehrte zum orthodoxen Luthertum zurück und schloss sich erneut den Habsburgern an. Der Religionseid auf die Konkordienformel wurde wieder zur Verpflichtung, auch erhielten die unter Christian I. ihrer Ämter verlustig gegangenen Geistlichen diese nunmehr wieder zurück. Ebenso wurden die Landstände wieder in ihre einstigen Rechte eingesetzt. Diese fundamentale innenpolitische Entwicklung machte jede Verständigung mit den reformierten Glaubensverwandten unmöglich: sie führte nunmehr endgültig zur Spaltung der protestantischen Reichsstände, deren Führung daraufhin von der Kurpfalz und von Brandenburg übernommen wurde.

Nachfolger Christians I. wurde sein allerdings noch minderjähriger und damit nicht regierungsfähiger Sohn, der spätere Kurfürst Christian II. (1583/1591-1611). Sofort enthob der als Vormund und damit gleichzeitig als Kuradministrator berufene nächste Verwandte, der streng lutherisch eingestellte ernestinische Herzog von Sachsen-Altenburg Friedrich Wilhelm, den Kanzler seines Amtes und ließ ihn auf den Königstein in Haft bringen. In einem in höchstem Grade unkorrekten Gerichtsverfahren angeklagt, den Kurfürsten zum Calvinismus verführt, dem Kaiser entfremdet und mit dem Lande entzweit zu haben, wurde der unglückliche Crell nach einem 10jährigen Prozess vom böhmischen Appelations-gericht in Prag, an das zuletzt die Akten geschickt worden waren, zum Tode verurteilt. Sofort nach dem Regierungsantritt Christians II. fiel nun am 9. Oktober 1601 auf dem Jüdenhof zu Dresden sein Haupt unter dem Schwert des Scharfrichters. Ein Stein im Straßenpflaster markiert noch heute den Ort des grausamen Vorgehens, mit dem zugleich ein endgültiger Schlussstrich unter die religionspolitischen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts in Sachsen gezogen wurde.
 
     
  In welchem Umfang Kurfürst Christian I. seinem außerordentlich fähigen und willensstarken Kanzler Nicolaus Crell die Führung der Regierungsgeschäfte überließ, bleibt mangels aussagekräftiger Quellen umstritten. So wird er in der Geschichtsschreibung hinsichtlich seiner dynastischen Bewertung - wenn wohl auch unterschätzt - weitgehend als prachtliebender Renaissancefürst charakterisiert. Indem er in künstlerischen Belangen den Ausdruck veranschaulichter fürstlicher Repräsentation erblickte, erlebte die Hofkunst in Sachsen zu seiner Zeit einen bedeutenden Aufschwung. So wurden, begünstigt durch die von Kurfürst August hinterlassene exzellente Situation der Staatsfinanzen, bereits unmittelbar nach Christians Thronbesteigung in Dresden umfangreiche großzügige Bauprojekte in Angriff genommen. 

Dazu zählt als Erweiterung des von seinem Onkel Kurfürst Moritz bereits weitgehend umgestalteten Dresdner Residenzschlosses die Errichtung des Kleinen Schlosshofes als südliche Anbindung an den Großen Schlosshof. Seine an zwei Seiten von zweigeschossigen Säulengängen eingefasste Gebäudegruppe befand sich 1588 bereits im Bau, die Arbeiten konnten nach einer längeren Unterbrechung seit 1591 jedoch erst 1595 abgeschlossen werden. Entwurf und Leitung der Arbeiten lagen in den Händen des bereits seit 1558 für Kurfürst August tätigen Oberzeug- und Festungsbaumeisters Paul Buchner (1531-1607), die Mitarbeit seines Baumeisters und Maurers Hans Irmisch (1526-1597) ist bezeugt. Ein bedeutendes Kunstwerk gelang Buchner hier, trotz der zweifelsohne vorhandenen malerischen Gesamtstimmung, allerdings nicht. Diese profitierte erst später durch das 1682 von Johann Georg Starcke zur Regierungszeit Kurfürst Johann Georgs III. errichtete Tor zum Großen Schlosshof. Einen weiteren Gewinn brachte das 21. Jahrhundert: Seit Anfang Februar 2009 überspannt ein von dem Architekten Peter Kulka entwickeltes transparentes Membrandach den 600 Quadratmeter umfassenden Kleinen Schlosshof. Zum zentralen Foyer und Hauptzugang zu den Kunstsammlungen ausgebaut bietet er den Besuchern nunmehr einen den Anforderungen eines modernen Museumsbetriebes gerecht werdenden witterungsunabhängigen Aufenthalt.
Als Hofabschluss zur Schlossgasse hin entstand in diesem Kontext bis 1590 das Neue Torhaus. Der niedrige zweigeschossige Baukörper mit Söller als oberem Abschluss ragte leicht in den Straßenraum hinein und erhielt durch ein bekrönendes rundes Belvedere mit Kuppel einen markanten Akzent. An seiner Außenseite entstand nunmehr der neue Haupteingang des Schlosses, ein Prachtportal in derber Quaderbänderung mit flankierenden doppelten dorischen Halbsäulen. Über dem Portal-gebälk mit einem Fries aus Triglyphen und abwechslungsreich gestalteten Löwenköpfen erhoben sich bis zu ihrer bedauerlichen Beseitigung im Jahre 1725 vier allegorische Figuren. Sie stellten, wie die einzige erhaltene Abbildung aus der Weckschen Chronik zeigt, vier menschliche Tugenden dar, wobei jeder Gestalt als bereicherndes Attribut ein Tier beigestellt worden war: der Glaube (Fides), eine weibliche Figur mit Kelch und Kreuz, dahinter ein Einhorn; der Großmut (Magnanimitas), eine weibliche Figur mit Helm und Stab, dahinter ein Elefant; die Stärke (Fortitudo), eine männliche Figur mit Helm und Säule, dahinter ein Löwe und letztlich die Dankbarkeit (Gratudines), wieder eine weibliche Figur mit einem Füllhorn und dahinter ein Straußenvogel. Sie waren wie die Figur der Gerechtigkeit (Justitia) über dem Belvedere, wie der Pelikan am Schlussstein und ebenso wie die Engel an den Ecken Werke des Bildhauers Andreas Walther III (1560-1596), der als einziger Steinbildhauer der ausgedehnten Familie Walther noch in Dresden lebte. Nach der 1894 im Zuge der Schlossrekonstruktion in den Jahren 1889/1902 vorgenommenen weitgehenden Überarbeitung der Torarchitektur lässt allein der Schlussstein mit dem seine Jungen nährenden Pelikan noch die Meisterschaft Andreas Walthers als Tierdarsteller erkennen. Nachdem der Vogel infolge des Weltkrieges seine ausgebreiteten Flügel verloren hatte, konnte die gesamte Plastik 2015 durch den Bildhauer Hartmut Witschel aus Großenhain wieder vervollständigt werden. Der etwa schwanengroße, in gemäßigten und tropischen Gegenden der Alten und Neuen Welt vorkommende Schwimmvogel – die deutsche Bezeichnung lautet Kropfgans – hat durch die Art, wie er aus dem auffällig großen Kehlsack seine Jungen füttert und dabei, um die erbeuteten Fische bequemer auswürgen zu können, den Schnabel auf die Brust stemmt, zu der uralten Fabel Veranlassung gegeben, dass er sich die Brust aufreiße und mit seinem Blute die Jungen nähre. Deshalb gilt dieses ikonografische Motiv als christliches Symbol der sich selbst aufopfernden Mutterliebe. Im vorliegenden Fall soll, wie bereits Weck in seiner Chronik anmerkt, „die Affection (Gunst, Zuneigung, Wohlwollen) eines guten Regenten gegen seine getreuen Unterthanen angedeutet seyn“. Thematisch nahm also die reiche bildhauerische Ausbildung des Portals Bezug auf die Tugenden und das Glaubensbekenntnis des regierenden Herrschers. Die Gesamtgestaltung zählte ohne Zweifel zu den bedeutendsten plastischen Arbeiten dieser Zeit in der sächsischen Residenzhauptstadt; ihr Verlust ist für die Geschichte der Architektur des ausgehenden 16. Jahrhunderts in hohem Maße zu bedauern.
 
     
 


Neues Torhaus: Quelle wikipedia.org

 
     
  Nur wenige Monate nach seinem Regierungsantritt ließ der junge Kurfürst am 6. Juni 1586 den Grundstein zum „Churfürstlichen Sächsischen Stall und Harnisch Cammer Bau“ legen. Im Anschluss an den Georgenbau des Schlosses und das bereits 1565/1567 errichtete Kanzleihaus entstand so bis 1591 der Stallhof. Die im Prinzip noch heute vorhandene Anlage erweist sich als ein mehrteiliger Gebäudekomplex mit Innenhof, der als Repräsentationsbau nicht nur der Haltung der Pferde, sondern auch als höfischer Festspielplatz dienen sollte. Das eigentliche Stallgebäude – das heutige Johanneum – entstand, nach der Bogenhalle im Erdgeschoss und der dorischen Portalgestaltung zu urteilen, nach dem Vorbild des Dresdner Zeughausbaues. Im Erdgeschoss teilen je zwei Säulenstellungen das aus drei Flügeln bestehende Bauwerk in drei Schiffe, einen mittleren Gang und die für 128 Pferde berechneten Stände. In den Hofecken erhoben sich zierliche Treppentürme und gegen den Jüdenhof an den Ecken zwei flach gedeckte Altane, um im Falle eines Straßenkampfes die Flanken des Gebäudes bestreichen zu können. Die Außengestaltung war einfach, auch die reiche Sgraffitierung konnte nicht über eine auffallende Zweckdienlichkeit hinwegtäuschen. Den Umbau des Stallgebäudes durch Maximilian von Fürstenhoff in den Jahren 1729/1731 zur Gemäldegalerie, die zweite Umgestaltung durch Johann Christoph Knöffel 1744/46 und die letzte hochgradige Veränderung durch Karl Moritz Haenel zum Museum Johanneum in den Jahren 1872/1877 sowie die Beseitigung erheblicher Kriegsschäden haben die beiden Tore zum Jüdenhof nur noch stark vereinfacht überdauert. Hingegen gibt das noch weitgehend ursprünglich erhaltene Jagdtor zum heutigen Schlossplatz in lateinischer Sprache Auskunft zur Funktion der Gesamtanlage, nicht ohne ihren fürstlichen Auftraggeber dabei entsprechend zu würdigen. Die von einer Kartusche eingefasste Inschrift lautet nach der freien Übersetzung von Weck: “Nachdem der durchleuchtigste Churfürst Herr Augustus Todes verfahren/hat Herr Christian Herzog zu Sachsen/als ein Erbe der Chur- und anderer fürstlicher Dignitaten/auch als ein Liebhaber der Tugenden/dieses ansehnliche Haus zu Stallung der Roße aufbauen/und darbey einen geraumen Platz zu Ritterlichen Übungen verfertigen und anrichten lassen; Diejenigen welche sowohl ietzo als auch künftig leben/sollen Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht viel Glückseligkeit und Friede/so wohl alle Prosperität dero hohen Hauses/und langwierige Gesundheit wünschen/iedoch dabey gedenken daß iegliches Wohlfahrt mehr auf Gottes als der Menschen Beystand beruhen“. Insgesamt künden die beiden wappenhaltenden Krieger, die Löwen, die Pferdeköpfe in den Zwickeln über dem Torbogen, der Groteskkopf des Schlusssteines und das Kartuschenwerk noch von dem fraglos hohen künstlerischen Vermögen ihres Schöpfers Andreas Walther III. Von ihm stammen auch die anderen plastischen Arbeiten an den beiden Portalen zum Jüdenhof, die Pferdeköpfe an den Portalen und die zahlreichen Wappen der sächsischen Herrschaften im Innenhof.
Eine zweifellos bemerkenswerte Gestaltung gelang mit dem Langen Gang, dem von einer auf 22 toskanischen Säulen ruhenden offenen kreuzgewölbten, dabei zweigeschossig ausgebildeten Halle. Neben den auf der mittelalterlichen Stadtmauer angeordneten Logen für das Kampfgericht konnte der Turnierhof nun zusätzlich durch die zu dem Obergeschoss des Stallgebäudes führende befahrbare Rampe geschlossen werden. Das von den Taten des gewaltigen antiken Herkules bestimmte ikonografische Thema der in schwarzer und weißer Kalkfarbe ausgeführten Fassadendekorationen an den Arkaden erfüllte mit der Glorifizierung des wettinischen Fürstenhauses und zugleich der Demonstration der Landesmacht einen wichtigen Zweck: Sie ist als politisches Programm zu verstehen, indem es die sich bereits abzeichnenden absolutistischen Tendenzen der Staatsführung reflektiert. Auch die Straßenseite – heute Standort des Fürstenzuges – war mit einem Festzug und Einzelfiguren reich geziert. 
Insgesamt zeigt die Konzeption des Arkadenganges, der das Erdgeschoss zum Hof hin öffnet, in seiner architektonischen Gestaltung voller Spannkraft und dennoch großer Leichtigkeit einen an italienischen Bauformen orientierten Entwurf, der - wiewohl nicht beweisbar, aber doch überzeugend - dem gewandten Italiener Giovanni Maria Nosseni (1544-1520) zugeschrieben werden kann.
Im Zuge der Beseitigung von nicht unerheblichen Kriegsschäden erhielt die Arkadenwand des Langen Ganges eine neue ornamentale Bemalung, die sich an alten überkommenen Abbildungen orientierte. Auf die Wiedergabe der aufwendigen figürlichen Szenen wurde allerdings verzichtet. Die Bildfelder zwischen den Fenstern bekamen stattdessen eine einfache schwarze Einfärbung, lediglich die Sonnenuhr wurde an ihrer ursprünglichen Stelle eingefügt. 1982 konnte die Rekonstruktion der Stallhofanlage weitgehend abgeschlossen werden. Das 1961 größtenteils abgebrochene Kanzleihaus entstand jedoch erst seit 1997 wieder als ein architektonisch wesentlicher Bestandteil des gesamten Gebäudeensembles äußerlich in seiner alten Form. Ungeachtet der Einbußen, die der Stallhof durch Umbauten und Kriegszerstörungen erlitten hat, strahlt das Ensemble in seiner Gesamtheit noch immer am deutlichsten die Atmosphäre höfischen Lebens des späten 16. Jahrhunderts in Dresden aus.

Zwei weitere von Christian I. initiierte Bauwerke haben den Lauf der Zeit jedoch nicht überlebt: So entstanden - aus Platzmangel außerhalb des eigentlichen Zeughofes - 1589 noch zwei weitere vom Hof genutzte Gebäude an der Rampischen Gasse: das Kufenhaus mit den Faßbinderwerkstätten sowie anliegend das kurfürstliche Hofwagenhaus. Beide Bauten mussten 1893 der Errichtung des großflächigen Polizeigebäudes weichen.

Die Lage unmittelbar an der Befestigungsmauer sowie die hoch-aufragende Dachgestaltung des Zeughauses boten für potentielle Angreifer jedoch ein artilleristisch gut erreichbares Ziel. Deshalb erfolgte in den Jahren 1589/92 auf Drängen der für die Sicherheit der Stadt Dresden Verantwortlichen als letzte große Expansionsmaßnahme der Dresdner Fortifikationsanlage die Errichtung der Jungfernbastion (Bastion Venus). Die vom zuständigen Festungsbaumeister Paul Buchner mit Sachverstand und ökonomischem Geschick gelöste Aufgabe brachte eine deutliche Verlängerung der städtischen Elbfront. Die durch Kombination mit der bereits bestehenden Hasenbergbastion entstandene Doppelbastion bewirkte nunmehr eine deutlich verbesserte Deckung der linkselbischen Stadt im flussaufwärts gelegenen Gelände, wodurch die Verteidigungskraft der fürstlichen Residenzstadt erwartungsgemäß gesteigert werden konnte.

Der mit dem Bau der Bastion verbundene Auflass des Ziegeltores erforderte einen anderen Stadtausgang nach Osten. So entstand 1590/1591 am Ende der Landhausstraße das Pirnaische Tor. Seine Fronten wurden zu einer triumphalen Darstellung der fürstlichen Bauherren genutzt. Die rustikale Portalarchitektur Paul Buchners erhielt einen reichen Schmuck aus der Werkstatt Andreas Walthers III, der in den sowohl an der Stadtseite als auch der Feldseite, also doppelt angebrachten etwa lebensgroßen Reiterstandbildern Christians I. seinen Höhepunkt fand. Es war das erste derartige Reiterstandbild in der deutschen Kunst, die anspruchsvollste Darstellung eines Herrschers zu jener Zeit überhaupt. Die Verluste nach der Beschießung 1760 im Siebenjährigen Krieg und später dann 1820 als Folge der Demolition des gesamten Tores im Zug der Entfestigung Dresdens sind für die Geschichte der Dresdner Kunstentwicklung im Renaissancezeitalter sehr zu bedauern. Nicht zuletzt ging damit auch ein künstlerisch außerordentlich wertvoller Bestandteil der bildhauerischen Gestaltung der Befestigungsanlage, speziell seiner Torarchitektur, verloren. Gleiches gilt auch für die vortrefflichen Leistung Andreas Walthers als Bildhauer.

Der schon von Kurfürst August nach Dresden berufene Italiener Giovannni Maria Nosseni wurde nach der Ausgestaltung der Fürstengruft im Freiberger Dom 1590 mit den Planungen und dem Bau zu einem Lusthaus auf der Jungfernbastei der Dresdner Stadtbefestigungsanlage beauftragt. Dieses als Belvedere I bezeichnete, fortifikatorisch aber keineswegs erforderliche Bauwerk, sollte nicht nur wegen seiner Dominanz in der Stadt-silhouette eine eminente Bedeutung erlangen: Es stellte den eigentlichen Höhepunkt der höfischen Bauanstrengungen in der Regierungszeit des Kurfürsten Christian dar. Auf der von Paul Buchner bereits für eine derartige Bebauung vorbereiteten Bastion errichtet gehörte es fraglos zu den Spitzenleistungen der Lusthausarchitektur des 16. Jahrhunderts in Mitteleuropa. Erstmalig wurde nun von dieser exponierten Stelle der Festungsanlage der Blick hinaus in die umgebende Landschaft ermöglicht. Die Bauzeit zog sich durch die außerordentlich aufwendige und reiche Ausgestaltung mit sächsischen Gesteinsarten sowie mit überaus zahlreichen plastischen Arbeiten, Stuckkaturen und Malereien bis weit in das 17. Jahrhundert hin. Schuld trugen nicht zuletzt der frühe Tod des Auftraggebers 1591 und die folgende Zeit der Kuradministration, sondern auch der häufige Wechsel der beteiligten Künstler und Handwerker. Eigentlich konnte eine Fertigstellung und damit Inbesitznahme niemals erreicht werden. Die 1936 von dem verdienstvollen Denkmalpfleger Walter Bachmann erarbeitete, wegen fehlender Abbildungen weitestgehend nur auf wenigen überlieferten Beschreibungen beruhende Rekonstruktion kann nur als ein, wenn auch wissenschaftlich untermauerter, Versuch gewertet werden. 
Durch die unverantwortliche und unverständliche Lagerung von Schießpulver in den unteren Räumen wurde das wertvolle Bauwerk am 22. September 1747 durch eine wohl von einem Blitzschlag ausgelöste Explosion vollständig zerstört. An diesem Tag verlor Dresden nicht nur das einzige Renaissancebauwerk, das in italienischer Formensprache auf sächsischen Boden in einem Guss errichtet worden war; es gingen auch die eminente Leistung Nossenis als Architekt sowie jene der zahlreichen beteiligten Bildhauer und Maler für immer verloren, ein höchst bedauerlicher Verlust für das Renaissancekunstschaffen in der Regierungsstadt Sachsens. Die vorzügliche Lage mit einem herrlichen Ausblick haben die nachkommenden Generationen jedoch immer wieder gereizt, Bauwerke und Gartenanlagen darauf zu errichten. Nachdem Heinrich von Brühl wenige Monate nach der Zerstörung das Gelände von Friedrich August II. geschenkt bekommen hatte, entstand in den Jahren 1748/51 ein neues Gebäude. Das als Belvedere II bezeichnete und als Meisterwerk von erlesener Schönheit gerühmte Rokokobauwerk des Architekten Johann Christoph Knöffel fiel allerdings bereits 1759 der Rachsucht des Preußenkönigs Friedrichs II. zum Opfer. Auch das von Christian Friedrich Schuricht erbaute klassizistische Belvedere III und der als Belvedere IV bezeichnete, von Otto von Wolframsdorf geschaffene und erst als Folge des 2. Weltkrieges zerstörte erneute Nachfolgebau existieren beide nicht mehr. Die Fläche ist bis heute unbebaut und harrt weiter einer der Lage angemessenen Aufwertung.

Nicht nur auf politischem Gebiet, sondern auch auf künstlerischem fanden die zweifellos ambitionierten und weitreichenden Pläne durch den unerwartet frühen Tod des Kurfürsten am 25. September 1591 ein abruptes Ende. Unter der sparsamen Verwaltung des nunmehr bestallten Kuradministrators Friedrich Wilhelm von Sachsen-Altenburg wurden noch laufende Baumaßnahmen und künstlerische Aufträge eingestellt oder nur notdürftig und zögerlich vollendet. Zusätzlich hat später die schwache und relativ kurze Regierungszeit Christians II. dafür gesorgt, dass nach dem verheißungsvollen Beginn 1586 keine weiteren Projekte mehr in Angriff genommen wurden. Erst nach dem 30jährigen Kriege konnte dieser Stillstand nunmehr im Zeitalter des Barocks mit einem signifikanten Aufstieg Dresdens zu einer Stadt von europäischem Gewicht überwunden werden. 
 
     
  Anmerkung:
Erster und zweiter Teil des 2018 in der Piatta Forma gehaltenen Vortrages.
 
  Literatur:

Kretschmar, H.: Geschichte der Neuzeit seit Mitte des 16. Jh. (2. Band Sächsische Geschichte); Dresden 1935

Groß, R.: Geschichte Sachsens; Leipzig 2001 

Naumann, G.: Sächsische Geschichte in Daten; Berlin/Leipzig 1991 .

Blaschke, K-H./ John, U.: Geschichte der Stadt Dresden/Bd. 1; Stuttgart 2005

Blaschke, K-H.: Der Fürstenzug zu Dresden; Leipzig/Jena/Berlin 1991

Heckner, U.: Im Dienst von Fürsten und Reformation; München 1995 
 
     
     

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