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  "Die Befestigung Dresdens - Geschichte und heutige Spuren" von Gerd Döge (redaktionell bearbeitet von Olaf Knoll)  
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  Der Dresdner Vereins Brühlsche Terrasse e. V. hat seit seiner Gründung 1991 intensiv die Festungsanlagen Dresdens, insbesondere der Residenzseite erforscht. In diesem Zeitraum hat unser Vereinsmitglied, Gerd Döge, intensiv die Ausgrabungen des Landesamtes für Archäologie begleitet und so die „Baugeschichte und die heutigen Spuren der Festung Dresden“ untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden von ihm in einem Vortrag zusammengefasst, den er am 02.10.2019 in der Piatta Forma gehalten hat (1). Eine redaktionell bearbeitete Fassung dieses Vortrages stellen wir in diesem Kasemattengeist – ohne Betrachtung der Befestigung von Altendresden, der heutigen Neustadt – vor.

Mit Gründung der Stadt Dresden im ausgehenden 12. Jahrhundert, sehr wahrscheinlich auf Anordnung des Kaisers – es ist die Zeit Kaiser Barbarossas – wird die Stadt mit einer mittelalterlichen Stadtmauer umwehrt. Die Ersterwähnung der Stadt erfolgte durch die Urkunde vom 30.März 1206 (Abb. 01) und behandelt einen Schiedsspruch von Markgraf Dietrich zwischen dem Bischof von Meißen und dem Burggrafen von Dohna in Dresden und nennt anwesende 74 Personen und Zeugen namentlich. Dieser Rechtsakt war nur an einem sicheren Ort möglich, der den Anwesenden auch Quartier bot und dem Ereignis würdig war.

Abb. 01: Urkunde der Ersterwähnung Dresdens vom 30.März 1206, SHSAD O.U.148 

Aus dem Hinweis auf einen sicheren Ort schlussfolgert Otto Trautmann bereits 1916, dass Dresden 1206 befestigt war, wie der Plan auf Abb. 02 zeigt

Abb. 02: Otto Trautmann, Ausschnitt eines Planes von Dresdens 

Der von Reinhard Spehr 1985/86 unter der Südmauer des östlichen Nordflügels im Dresdner Schloss gefundene Mauerzug aus der Zeit zwischen 1170 und 1220 bezeichnet er als Stadtmauer und untermauert damit die These von Otto Trautmann (7). In Abb. 03 wurde dazu eine von Gerd Döge angefertigte Gegenüberstellung eines Planes von Reinhard Spehrs mit der ausgegrabenen Mauer (8) dargestellt.

Abb. 03: Gegenüberstellung Schloss DD zwischen 1170+1230, R. Spehr, Foto: Herbert Boswank

Auch in den späten 1980-iger sowie in den 1990-iger und 2000-er Jahren wurden bedeutende Teile der mittelalterlichen Stadtbefestigungsanlage von Archäologen des Landesamtes für Archäologie Sachsens entdeckt und frei gelegt.
Bei der Ausgrabung südlich des Altmarktes 1998 (Abb. 04) trat ein 2 m hohes Plänermauerwerk mit einer Länge von 85 m zutage, die ursprüngliche oberirdische Höhe wurde mit 4 m ermittelt (6). Auch an der Schinkelwache wurden Reste der Mauer gefunden (Abb. 05).

Abb. 04: Ausgrabung südlich des Altmarktes (6)

Abb.05: Mauer Schinkelwache (11)

Der oben zitierte Grabungsbericht Reinhard Spehrs zeigt auch die Verbindung zwischen dem frühen Schlossbau und der Elbbrücke, der mit 542 m damals längsten Flussbrücke Deutschlands, die eine Einheit darstellen.

Mit dem Arbeitsheft „Die alte Augustusbrücke“ des Landesamtes für Denkmalpflege liegt eine Dokumentation der alten Elbbrücke im geschichtlichen Kontext auf der Grundlage bauarchäologischer Befunde und im Vergleich mit anderen hochmittelalterlichen Steinbrücken, vor. Hier werden die Ausgrabungen des ersten Brückenbogens unter dem Georgentor genauso wie die verschiedenen Umbauten erläutert (siehe Abb. 06). 

Abb. 06: Schemat. Grundriss der Elbbrücke (ca.1500) nach Nagel, ergänzt von R. Spehr (9)

Diese Dokumentation wurde durch die in den letzten Monaten gewonnenen Grabungserkenntnisse bestätigt. Insbesondere wurden bei der Rekonstruktion der Augustusbrücke 2018/2019 am 8. Brückenpfeiler Teile der Brücke von M. D. Pöppelmann gefunden, darin eingebettet wurde ein 8,5 m breiter Brückenpfeiler des 13. Jahrhunderts (Abb. 07) sowie „ein kompletter Bogen der 8,5-11 m breiten mittelalterlichen Brücke“ (38) am Blockhaus in der Neustadt (Abb. 08) entdeckt.

 

Abb.07: (11)

Abb. 08: Brückenbogen am Blockhaus 20.10.2018, (4)

Im Süden der Stadt bildeten nach der Stadtgründung auch Teiche Schutz für die Stadt. Erst Mitte des 14. Jahrhunderts - nach dem Eintrocknen dieser - erfolgte als Ersatz schrittweise die Aushebung des Stadtgrabens. 1353 nutzte der Rat der Stadt laut Dr. Eva Papke eine markgräfliche Erlaubnis zur Errichtung neuer Befestigungswerke und vergrößerte die Stadt um das sogenannte 5. Viertel (10) hinter der Kreuzkirche. Die Karte (Abb. 09/12) zeigt die mit der Stadtgründung erbauten rechteckigen Tortürme: Elbtor, Frauentor, Seetor und Wilsdruffer Tor.

Abbildung 09: Dresdens älteste Stadtmauer 1180/1200, aus Stadtlexikon

Im 15. Jahrhundert ist neben Unruhen durch Pest und Judenvertreibung ein Sturm von Brandenburger Söldnern auf das Wilsdruffer Tor überliefert. In den Ausführungen zur „Dresdner Stadtbefestigung bis 1500“ aus dem Buch „Geschichte der Stadt Dresden“, (Band 1), spricht Papke von der „einzigen Einnahme Dresdens durch stürmende Hand und ältestem Nachweis auf das Wilsdruffer Stadttor“ (10). 

Die drohende Hussitengefahr und die aufkommenden Feuerwaffen führten ab 1422 zum Bau einer zweiten bis 1,6 m starke Mauer vor der alten Stadtmauer, die sogenannte Zwingermauer, bestehend aus Sandsteinblöcken mit Pläner-Zwischenlagen, die mit Halbschalentürmen gesichert wurden. Bei verschiedenen Ausgrabungen in den letzten Jahren tauchten die Halbschalentürme am Frauentor (Abb. 10), im Bereich Wallstraße (Abb. 11) und am Dr.-Külz-Ring, wo er heute in der Parkgarage des Büro- und Geschäftshauses (Abb. 12) zu finden ist, auf. Die Abbildung 12 zeigt im Hintergrund auch die stadtseitig geneigte Wallmauer.

Abb. 10: Halbschalenturm am Frauentor, (11)

Abb. 11: Halbschalenturm an der Wallstraße, (10)

Abb. 12: Halbschalenturm in der Garage des Büro- und Geschäftshauses am Dr. -Külz-Ring

Ein Querschnitt durch die Piatta Forma in der Elb-Tonne zeigt den von unserem verstorbenen Vereinsmitglied Karlfried Apostel vermuteten Schalenturm von 1427, der offensichtlich überbaut wurde (Abb. 13). 

Abb. 13: N-S- Querschnitt durch die Piatta Forma von Karlfried. Apostel (14)

Im Kontext mit dem Aufkommen der Artillerietechnik im 14. Jahrhundert stellte sich sehr schnell heraus, dass die bestehenden mittelalterlichen Festungswerke der Geschützwirkung wenig entgegenzusetzen hatten. Da man nicht gleich die richtige Lösung fand, wurde lange Zeit experimentiert. So wurden erst bei der Erweiterung der Stadtmauer unter Herzog Georg dem Bärtigen Remparts zum Einsatz von Artillerie zur Verteidigung der Stadt Dresden vor den Stadttoren angelegt, die eine Verteidigung der Stadt mittels Kanonen erst ermöglichte (siehe hierzu auch Dr. E. Kettlitz in Festungsjournal Nr. 53(13)).

Auf einem Stich des Stadtchronisten Anton Weck (Abb. 14) finden wir die 1529 fertiggestellten verbesserten Sicherungen vor den Stadttoren: vier rot gekennzeichnete Außenwerke, den blau gekennzeichneten Erdwall am Schloss von 1549, an See- und Frauentor je eine grün gekennzeichnete Barbakane (15). 

Abb. 14: Plan aus der Stadtchronik von A. Weck

Weitere zusätzliche Sicherheit brachte nach 1458 die Erhöhung der ca. 6 m hohen Stadtmauer durch einen hölzernen Wehrgang, der durch ein 2 m hohes Ziegeldach geschützt wurde, wie er z. B. noch heute ähnlich in Rothenburg o. d. Tauber zu finden ist.
Die 2003 ausgegrabene Barbakane am Frauentor (Abb. 15) war 1548 nach der Niederlegung der mittelalterlichen Stadtmauer, die bis dahin immer noch die Siedlung an der Frauenkirche von der Stadt abgrenzte, oberirdisch abgebrochen worden. Nach Beendigung der Ausgrabungen 2003 wurde der gekennzeichnete Teil leider beseitigt, nur ein kärglicher Rest der Zwingerbrückenrampe und der Halbschalenturm blieben erhalten. Viele Interessierte schauten sich die Barbakane zum Tag des offenen Denkmals im September gleichen Jahres an (Abb. 16). 

Abb. 15: Blick auf die Ausgrabung Barbakane 2003 am Neumarkt Foto: L.f.A



Abb. 16: Blick über Halbschalenturm zur Barbakane, Tag des Offenen Denkmales 2003 (4)

Am 07.Juni 2016 berichtete Frau Susanne Schöne vom LfA in ihrem Vortrag von den Ausgrabungen am Postplatz und den dort gefundenen Mauern am Außenwerk des Wilsdruffer Tores. Ob das Wilsdruffer Tor mit einer Barbakane gesichert wurde, konnte bei den Ausgrabungen 2005 und 2016 nicht zweifelsfrei geklärt werden, ist jedoch wahrscheinlich (16).

Das Foto 378533 des Landesamtes für Archäologie (Abb. 17) zeigt den angeschnittenen ersten Brückenbogen über dem Festungsgraben vor dem Wilsdruffer Tor (Ausgrabung DD-141) aus dem Jahr 2005. 

Abb. 17: Ausgrabung Brückenbogen vor dem Wilsdruffer Tor (10), Foto: L.f.A.

Um der mit der Weiterentwicklung der Geschütze stetig sich entwickelnden Feuerkraft und Reichweite der Artillerie etwas entgegensetzen zu können, ließ Herzog Georg von Sachsen ja bereits ab 1519 an die Stadtmauer außen Erdwälle, den sogenannten Rempart (18), anschütten. Vor dem Schloss entstand ein mächtiger Erdwall, wie die älteste Ansicht Dresdens von Heinrich van Cleef (Abb. 18) mit der 1550 errichteten kleinen Schlossbastion zeigt. 1529 waren diese Arbeiten weitestgehend beendet. 

Abb. 18: Ansicht Dresdens von Heinrich van Cleef. (17)

Der seit 1541 regierende Herzog und seit 1547 Kurfürst Moritz von Sachsen traute dem Zustand der Befestigung Dresdens und Leipzigs nicht. Bei seinen von Kaiser Karl V. angeführten Kriegszügen gegen Frankreich führte er seinen Festungsbaumeister Vogt von Wierandt mit sich. Da sie auf ihrem Wege nach Nordfrankreich auch Flandern durchquerten schauten sie sich die im Bau befindlichen Bastionärsbefestigungsanlagen – die ersten nördlich der Alpen - von Gent und Antwerpen, die in altitalienischer Manier errichtet wurden, an. Er beauftragte nach seiner Rückkehr den als Zeug- und Baumeister, Artillerieoffizier, Zivil- sowie Militärbaumeister berufenen Caspar Vogt von Wierandt 1545 mit dem Bau dieser bastionären Befestigungen entsprechend den in Flandern besichtigten Werken für beide Städte. Unterbrochen durch verschiedene kriegerische Handlungen des Herzoges/ Kurfürsts, entstand in Dresden auf der Residenzseite (Abb. 19) ab 1545 ein Mauerring außerhalb des alten Befestigungsrings mit einer Länge von 3,7 km, über 10 m hoch - die Mauer am Salomonistor betrug 13 m und war über 2 m stark - mit acht teilweise gewaltigen Bastionen, 4 Stadttoren und ca. 10 m breiten Gräben, darüber Brücken und massiven Gegenwällen. Nach dem Tod des Kurfürsten Moritz 1553 in Sievershausen konnten die Arbeiten an der Festung unter Kurfürst August im Sinne des verstorbenen Bruders 1555 abgeschlossen werden. 

Abb. 19: Befestigungsgrundriss Dresdens 1549, SLUB (20)

„Das größte, bis heute teilweise erhaltene Gebäude Dresdens war entstanden“, meint dazu Dr. Thomas Westphalen vom Landesamt für Archäologie in der SZ von 6./7.10.2018 (39). Am Terrassenufer sieht man heute noch das Markenzeichen Wierandts, die gewaltige 10 - 12 m hohe Wallmauer mit dem umlaufenden Kordonstein (Bandstein). Welch‘ tolle Leistung war das bei dem damaligen Stand der Technik, von den Kosten und der Bauzeit ganz zu schweigen! 
Doch bald stellte sich heraus, dass die Festung am Schloss mit den drei kleinen Bastionen eine Schwachstelle darstellte. Kurfürst August beauftragte Rochus Quirinus Graf von Linar mit der bedeutenden Festungserweiterung östlich des Schlosses, auf dem vom DVBT gestalteten Festungsplan (Abb. 20) rot dargestellt. 

Abb. 20: Festungsplan des DVBT mit der 1575 erfolgten Erweiterung (5) 

1579-84 wurde mit dem Umbau die Turmanlage der Kreuzkirche Bestandteil der Festung, indem ein Extrageschoss für vier halbe Schlangen in den Turm (Abb. 21) eingefügt wurde. Ihre Feuertaufe erlebten die Geschütze im Dreißigjährigen Krieg am 14.1.1643. Nach einem Blitzschlag 1669 und der nachfolgenden Reparatur dienten die Geschütze nur noch zur Signalgebung und für Salutzwecke sowie als Beobachtungspunkt (43); für Friedrich II von Preußen ein lohnendes Ziel bei der Beschießung Dresdens 1760, wie das Bild Bernardo Bellottos, genannt Canaletto, von der zerstörten Kreuzkirche zeigt.

Abb. 21: Kreuzkirche Westturm 1676, LfD


Durch den Bau des Zeughauses 1569-73 und zur Verstärkung der kleinen Bastion am Ziegeltor wurde diese um die Jungfernbastion im Osten erweitert. Mit dem Entwurf und Bau beauftragte der neue Kurfürst Christian I den Kurfürstlich Sächsischen Zeug- und Baumeister Paulus Buchner und den Stadthauptmann Hans Claus Rußwurm (15). Auf einer Pfahlrostgründung entstand die neue vergrößerte Bastion mit 3 Kasematten (Abb. 22). Das Ziegeltor wurde 1591 verschlossen und durch das Pirnaische Tor ersetzt. Die rustikale Portalarchitektur des Tores von Paul Buchner erhielt an der Stadtseite als auch an der Feldseite, lebensgroße Reiterstandbilder Christians I. aus der Werkstatt Andreas Walthers III (siehe hierzu auch den Artikel im KG I/2019: „Sachsen zurzeit Kurfürst Christians I., Teil II von C. Zeidler). 1591 wurde vom Kuradministrator festgelegt, dass das Salomonis-Tor aus finanziellen Gründen geschlossen werden muss (18).

Abb.22: Festungsplan 1593, Erweiterung und Medaille P. Buchners von T. Wolf (18), (5) 

Die Festung erhielt auch an anderen Stadttoren schmückende Elemente, die die Macht und den Reichtum des Kurfürstentums zum Ausdruck brachten. An der Spitze der Hasenbergbastion wurde das Moritzmonument, von Kurfürst August veranlasst, aufgestellt. Heute befinden sich das Original im Schloss, eine Kopie an der Jungfernbastion und eine Kopie der Kopie in der Piatta Forma.

Vor der eigentlichen Demolition der Festung im 1. Drittel des 19. Jahrhunderts erfolgten bereits Teilentfestigungen. Hier genannt seien: 
1. Der Bau des Zwingers; die Langgalerie mit Kronentor steht direkt auf der Festungsmauer.
2. Der Abbruch des Elbtores, um Platz für die katholische Hofkirche zu schaffen – den Bau der Hofkirche zeigt das Bild von Johann Alexander Thiele (Abb. 23) 
3. Die Gestaltung von Teilen der Kurtine zwischen Elbtor und Venusbastion zum Brühlschen Garten durch Johann Christoph Knöffel. Dabei wurden die Kanonenhöfe geschlossen und die Wälle beseitigt, die Festungsmauern erhöht. 

Abb.23: „Ansicht von Dresden mit der Augustusbrücke“, von Johann A. Thiele, 1746 (22)

 

Bereits im Siebenjährigen Krieg zeigte sich die Überlegenheit der neuen weitreichenden Geschütze, wie im Plan der Beschießung Dresdens vom 14.-22. Juli 1760 durch preußische Truppen in Abb.24 dargestellt.

Abb. 24: Beschießung der Stadt Dresden durch preußische Truppen vom 14.-22.Juli 1760

Die dabei entstandenen massiven Schäden dokumentierte u.a. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto in seinem Kupferstich „Ruinen der Pirnaischen Vorstadt 1760“. 
Das Bombardement von 1760 zeigte, dass sich die Festung überholt hatte. Deshalb wurden bis 1830 ca. 80 % der Festungsmauern und -bastionen oberirdisch und bis zu 3 m unterirdisch beseitigt, Steine verkauft, der Graben, auch am Zwinger, mit Bruchsteinen und Erde verfüllt, die Grundstücke mehrheitlich veräußert. Nur die Brühlsche Terrasse, die Zwingermauer mit dem Kronentor und ein Mauervorsprung am Basteischlösschen blieben erhalten. Der gewünschte Grüngürtel um die Innenstadt anstelle der Festungsmauern wurde nur teilweise realisiert, viele Flächen bebaut. 

Oft wurden die Festungsmauern auch als Fundamente für die nachfolgende Bebauung genutzt, wie das Foto vom Kreuzkirchturm auf das Fundament der ehemaligen reformierten Kirche (Abb. 25) zeigt. Auch die Reste eines Halbschalenturmes und Teile der Zwingermauer sind gut zu erkennen.

Abb. 25: Ausgrabung am Dr.-Külz-Ring mit Fundamenten der Reformierten Kirche, Foto: LfA

Über die Probleme der Bebauung des Festungsringes nach der Demolition wird auch andernorts berichtet. Unter anderen ist in „Zur Geschichte der Postbauten in Dresden“ vermerkt: „1876 begann der Neubau der Oberpostdirektion auf dem Gelände des ehemaligen „Neuen Sees“ am Postplatz. Bei Beginn der Gründungsarbeiten stieß man auf eine 6 m dicke Schicht älteren Bauschutts. Dieser folgte eine meterdicke Schlammschicht, bis endlich eine bebauungswürdige Kiesschicht folgte Offensichtlich befand sich das Baugelände im direkten Bereich der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Der Bauschutt stammte aus dem Abriss und der Verfüllung der ehemaligen Wehranlagen. Nur durch teilweise Sprengung waren die Reste der Festungsmauern zu beseitigen. Wegen der Nähe der Häuser war eine komplette Sprengung nicht möglich. Es wurden Teile der Wehranlage im Fundament mitverwendet. Der an einigen Stellen vorhandene, nicht stabile Baugrund erforderte eine stabile Pfahlgründung“ (23). Solch eine Pfahlgründung wurde 2016 auch unter dem Telegrafenamt am Postplatz freigelegt (Abb. 26).

Abb. 26: Freilegung einer Pfahlgründung am ehemaligen königlichen Postgebäude 2016 (11)

In der Dokumentation „Dresdner Rathäuser“ aus dem Jahre 2010 steht über den Beginn des Baus des neuen Rathauses: 
„Am 27. April 1905 begann man mit der Ausschachtung der Baugrube, nachdem schon Jahre vorher das Häuserquartier entlang dem Verlauf der alten Stadtbefestigung abgerissen worden war. Der Tiefbau hatte erhebliche Probleme mit dem Untergrund, stieß man doch auf die zweieinhalb Meter dicke Festungsmauer, die sich nur durch Sprengung beseitigen ließ.“ Außerdem mussten meterdicke Schlammschichten in den zugeschütteten Befestigungsgräben ausgehoben werden, bis dann auf festem Baugrund die Fundamente für den gewaltigen Turm eingebracht werden konnten. Viereinhalb Meter Stärke betrug allein die Betonsohle auf einer Fläche von 900 Quadratmetern“ (25). 

Am 13.und 14. Februar 1945 wurden große Teile der Dresdner Innenstadt zerstört, wie im Dresdner Panometer von Yadegar Asisi in eindrucksvoller Weise dargestellt. Die Ruinen wurden nach 1945 „flächendeckend beseitigt“, wie von Jürgen Paul in seinem Artikel „Dresden- die Stadt und ihre Architekten“ (40) festgestellt

Bei Ausgrabungen während der letzten Jahrzehnte nach 1990 wurde der Baugrund vor der vorgesehenen Neubebauung archäologisch durch das Landesamt für Archäologie Sachsen untersucht und dabei auch bauliche Reste der Festung frei-gelegt. 
Während die am Antonplatz festgestellte Gründung der Festungsmauern, hier ein Foto von 2018 (Abb. 27), unmittelbar auf geebneten Boden mit fast quadratischen Sandsteinen erfolgte, wurden an der Elbe am sogenannten Radeberger Spezialausschank Spiegelbossensteine (Abb. 28) im unteren Mauerbereich entdeckt.

Abb. 27: Festungsfundament am Antonplatz 2018, (11)

 

Abb. 28: Bossensteine am Radeberger Keller, 2000 (4)

Die Dresdner Festungsmauer weist auf ihrer Schauseite Sandsteine im Format 21x21 cm auf, wie die Fotomontage der Festungsmauern an der Ringstraße und am Antonplatz zeigt (Abb. 29). In der Ausgrabung Antonplatz zeigt sich auch, dass die Innenmauer aus gröberen Steinen und Pläner -Zwischenschichten besteht, zwischen Außen- und Innenmauer befindet sich ein Gemisch aus Mörtel und Sandsteinhorzeln (29)

Abb. 29: Fotomontage der Festungsmauern an Ringstraße und Antonplatz (11)

Abb. 30: Festungsmauer am Antonplatz 2016 (10)

Die Mauern weisen an Außen – und Innenseiten eine Neigung von 18 % (15 Grad) Richtung Stadt auf. Die Stadtinnenseite wird teilweise durch Spieramen (28) in einem Abstand von ca. 5,70 m abgestützt (Abb. 31). Die Gewölbe waren über einem Lehrgerüst erbaut worden, die Fugen mit Mörtel verfüllt, wie ein Foto von Raum 12 in der Piatta Forma zeigt. Im Hintergrund ist die Kopie des Moritzmonumentes zu sehen (Abb. 32)

Abb. 31: Spieramen Ringstraße 1995 (10) 

Abb. 32: Piatta Forma, Raum 12 (10)

Außerdem wurden die Gewölbe durch einen zusätzlichen Bogen stabilisiert, wie das Foto von Rudolf Zimmermann (Abb. 32) aus der SLUB, Fotothek (29), 1927 beim Abriss der Bastion Merkur entstanden, belegt. Um gleichmäßige Abstände zwischen den Sandsteinlagen und damit ausreichende Stabilität der Mauer zu sichern, wurden Plänerschichten in den Mörtel eingeschoben. Der beim Bau der Festung verwendete Mörtel bestand laut Einhart Grotegut aus einem Teil Quark, acht Teilen Kalk, und zweiunddreißig Teilen Sand (46).

Abb. 32: Abriss der Merkurbastion 1927, Foto R. Zimmermann

Gegen eindringendes Wasser wurden die Gewölbe mit einer Lehm-/ Tonschicht abgedichtet. Die Hochwasser von 2002 und 2013 zeigten, dass die am Fuße der Gewölbe eingebauten Wasserableitungen, im Untergrund verlaufenden Kanäle sowie die vorgesehenen Drainagen noch heute in Funktion sind. Drang doch durch diese sehr schnell das Elb- bzw. Grundwasser in die Kasematten ein, und nach Rückgang des Hochwassers floss es sehr rasch wieder ab.

Bei den Ausgrabungen am Postplatz 2016 konnte ein Bogenstein geborgen werden (Abb. 33), der wahrscheinlich aus dem Wilsdruffer Tor von 1549 stammt. Dieser Schluss ist naheliegend, da das am Bogenstein entdeckte Steinmetzzeichen – schwarz eingekreist - auch mehrfach in der Jungfernbastion zu finden ist (44). 

Abb. 33: Bogenstein, (11)

Im Rahmen der Umgestaltung des Pirnaischen Platzes (45) Anfang der siebziger Jahre konnten Teile des ehemaligen Pirnaischen Tores freigelegt werden (Abb. 34). Die auf Abbildung 34 dargestellten Steine der Auflagekonsole (31) der Zugbrücke wurden gesichert und befinden sich heute im Lapidarium der Stadt.

Abb.34: Konsolsteine 

Abb. 35: (31)

Beim Bau der im Zusammenhang mit der verkehrlichen Neuordnung des Pirnaischen Platzes errichteten Fußgängertunnels wurde die äußere Grabenmauer, die Contrescarpe, angeschnitten und entsprechend gekennzeichnet (Abb. 35). Der Tunnel wurde 1979 in Betrieb genommen und im Juli 2010 mit Beton verfüllt. Eine große strategische Bedeutung hatten die polygonal sich aus dem Wall, der Kurtine herausschiebenden Werke - die Bastionen oder Bollwerke, oberdeutsch auch Bastei genannt. Die Aufgabe dieser Bastionen war es, den Raum unmittelbar vor dem Wall, den die Verteidiger von der Brustwehr aus nicht direkt einsehen konnten, seitlich bestreichen zu können. Darüber hinaus konnte man nach außen mit den Facen-Geschützen das Vorfeld bestreichen und somit die feindliche Artillerie auf Distanz halten. Wobei die Flankengeschütze zunächst primär der Grabenverteidigung dienten, deshalb waren auch die Flanken stets auf die Bastionsspitze der jeweils nächsten Bastion ausgerichtet.

Die noch vollständig bzw. teilweise erhaltenen Bastionen – der Ziegeltorbastion, der Piatta Forma und der Hasenbergbastion – besitzen je 3 Verteidigungsebenen, die in der Abbildung 35 gut erkennbar dargestellt sind. Dabei war der unterste Bereich für schwere Geschütze, der Wehrgang in der ersten Ebene für Handfeuerwaffen, z. Bsp. Hakenbüchsen und Musketen, vorgesehen, wie an Hand der kleinen Bastion von Dr. Rainer Schmidt (32) symbolhaft rekonstruiert wurde. Auf der Bastion, hinter Erdwällen konnten weitere Geschütze aus dem Zeughaus aufgestellt werden.

Abb. 35: (32)

Besonders verwunderlich ist es schon, dass beim Bau der Festung verschiedene Formen von Geschützpforten in den einzelnen Bastionen verbaut wurden. Manfred Fraulob, Mitglied des DVBT, hat die ihm bekannten Geschützscharten erfasst, vermessen und gezeichnet (Abb. 36). 

Abb. 36: Manfred Fraulob, DVBT (33)

Neben der auf der in Abbildung 36 dargestellten Zeichnung aufgeführten Kleeblattpforte neben dem Wilsdruffer Tor, wie sie auf dem Bild von H. F. Laurin 1811 auch zu sehen ist (Abb. 37), konnte bei der Ausgrabung 2016 am Postplatz an der nördlichen zurückgezogenen Flanke der Saturnbastion das abgebildete Fragment einer rechteckigen Schießscharte ausgegraben werden (Abb. 38), mit ergänzten Maßeintragungen des Landesamtes für Archäologie Sachsens.

Abb. 37: ehemaliges Wilsdruffer Tor, koloriert von H.F. Laurin (34)

Abb. 38: Fragment einer rechteckigen Schießscharte an der ehemaligen Bastion Saturn (35)

Eine dreiblättrige Kleeblattschießscharte vom Elbtor tauchte 1991 bei Bauarbeiten am Fuße der Treppe zur Brühlschen Terrasse auf (Abb. 39).

Abb. 39: Blick von der BT auf Reste des Elbtores (4)

Von den Abbrucharbeiten der Bastion Mars Mitte der 60er Jahre ist das Foto (Abb. 40) erhalten, das eine auf der Spitze stehende quadratische Geschützpforte zeigt.

Abb.40 (36)

Bei der Untersuchung des Untergrundes am Parkplatz vor dem Polizeipräsidium wurden 1994 Reste des oben genannten Außenwerkes aus den Bauperioden 1528-30 sowie der Bastion Mars von 1550-1553 dokumentiert.

Beim Bau eines unterirdischen Staudammes am Rathenauplatz wurden 2018 Teile der Contrescarpe (feldseitige Grabenwand, (45)) an der Hasenbergbastion angeschnitten. Eine detaillierte Beschreibung der vorgefundenen baulichen Situation findet sich im Kasemattengeist 2/2019 des DVBT. G.D.


Quellen
(1) Döge, G.: überarbeiteter am 2.10.2019 gehaltener Vortrag in der Piatta Forma
(2) Döge, G. „Spuren der Festung nach deren Demolierung“, in der Piatta Forma am 2.3.2016 gehaltener Vortrag
(3) Stadtplan um 1721. Reproduktion nach Rauda, W.: „Lebendige städtebauliche Raumbildung“, Berlin 1957 (SLUB/Fotothek)
(4) Made, W.: privates Fotoarchiv
(5) Apostel, K., Walew, M., Zeidler, Chr.: „Dresden, zur Geschichte der Altstädter Befestigungsanlage“, Plan 3-5, Dokumente des DVBT e. V., Dresden 2004
(6) Oechsle, J.: „Dresden 8000- Eine archäologische Zeitreise“, (LfA)
(7) Trautmann, O.: „Der Boden Dresdens vor 700 Jahren“ (Dresdner Geschichtsblätter 1916, Nr.4)
(8) Spehr, R.: Gegenüberstellung Dresdner Schloss: Plan und Ausgrabung, Spehr, R., Boswank, H. Dresden, „Stadtgründung im Dunkel der Geschichte“, (Verlag D. J. M., 2000) 
(9) „Die alte Augustusbrücke in Dresden“ (Arbeitsheft 22 des LfD)
(10) Papke, E.: „Die Dresdner Stadtbefestigung bis 1500“ (S. 279 ff) (Geschichte der Stadt Dresden, 1, Theiss)
(11) Döge, G.: privates Fotoarchiv
(12) LfA, GB DD-141, Foto378533 zum Befund 357/358, Dresden 2005 (LfA)
(13) Kettlitz, E.: Jahrestagung in Magdeburg 2018 (Festungsjournal 53 der DGF)
(14) Apostel, K.: Zeichnung des Querschnitts durch die Piatta Forma 
(15) Weck, A.: „Der Chur- Fürstlichen Sächsischen weitberuffenen Residentz- und Haupt-Festung Dresden Beschreib: und Vorstellung“, 1679
(16) Schöne, S.: Vortrag 7.6.2019, „Dresdner Festungsanlagen vor dem Wilsdruffer Tor“, LfA
(17) Cleef, v. H.: Dresden vom Neustädter Ufer 1553, Dresden Stadtmuseum in „Dresden wie es Maler sahen“, S. 16, E.A. Seemann SGD
(18) Papke, E.: Festung Dresden, 1997, Michael Sandstein Verlagsgesellschaft mbH, SLUB
(19) Wiegand, P.: Die Dresdner Stadtbefestigung in den zeitgenössischen Karten, Plänen und Rissen des Hauptstaatsarchivs Dresden, in 450 Jahre Festung Dresden, SBGD 2007
(20) Geschichte der Stadt Dresden, Band 1, Theiss, S.546
(21) „Dresden wie es Maler sahen“, S. 16, E.A. Seemann, S. 59 
(22) „Dresden wie es Maler sahen“, S. 16, E.A. Seemann, S. 34 
(23) Beiträge „Zur Geschichte der Postbauten in Dresden“, S. 47
(24) Bellotto, B. genannt Canaletto: Kupferstich „Ruinen der Pirnaischen Vorstadt 1760“ (SKD/ Kupferstichkabinett)
(25) „Dresdner Rathäuser“, Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz, Dresden, 2010, S. 16
(26) M. Starke: Robert, Bernhardt, „Eine kurze Geschichte des gleichnamigen Warenhauses am Dresdner Postplatz“, Das tägliche Dresdenbild, S. 2 
(27) Möbius, W.: Ansicht des Dresdner Postplatzes 1957, SLUB/ Fotothek 
(28) Papke: Dr. E., „Speramen in der Festung“, DVBT, Kasemattengeist 4/2010
(29) Zimmermann, R.: SLUB Dresden/Deutsche Fotothek 
(30) Fotoarchiv DVBT 
(31) LfA, GB DD-172 Pirnaisches Tor
(32) Schmidt, Dr. R.: „Brühlsche Terrasse, Öffnen des Kleinen Kanonenhofes“, Privatarchiv, 2013
(33) Fraulob, M.: „Meisterhaft- Die Lage der Geschütz“, Dokumente des DVBT S.9, 2011
(34) Laurin, H.F.: „Das ehemalige Wilsdruffer Tor zu Dresden“, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, in 450 Jahre Festung Dresden, S. 41
(35) Döge, G., ergänzt mit Größenangaben von Frau S. Schöne, LfA: Fragment einer Geschützpforte an der Bastion Saturn 25.10.2016
(36) Bobrowicz, H.v.: privates Fotoarchiv, 1967
(37) Institut für Denkmalspflege Dresden, Kasematten unter der BT 1949, rot ergänzt verfüllte Räume, (29)
(38) Pressemitteilung des Rathauses Dresden zur Rekonstruktion der Augustusbrücke, 15.6.2018
(39) Dr. Thomas Westphalen, LfA in der SZ von 6./7.10.2018 
(40) Paul J. „Dresden- die Stadt und ihre Architekten“
(41) Kaiser, U.: Festungsblätter 4/97, Glacis, Kordonstein, Face 
(42) Festungskundliche Handschrift (SLUB, Handschrift Mscr.Dresd.C127 Blatt 10r.)
(43) Mörtzsch, O.: „Der Kreutzturm, ein Teil der Stadtbefestigung“, Dresdner Geschichtsblätter 1916 Nr.4 
(44) Döge, G.: „Archäologische Grabungen am Dresdner Postplatz“, (Kasemattengeist 2/2016) 
(45) Döge, G.:„Die Festung Dresden und ihre Spuren heute“ (LVSH Mitteilungen3/ 2016)
(46) Grotegut, Einhart: Ausstellung zur Museumsnacht 2011

Abkürzungen

DVBT Dresdner Verein Brühlsche Terrasse e.V.
LfA Landesamt für Archäologie Sachsen 
LfD Landesamt für Denkmalspflege Sachsen 
BT Brühlsche Terrasse 
DGF Deutsche Gesellschaft für Festungsforschung e.V. 
SKD Staatliche Kunstsammlung Dresden 
SBGD Schlösser, Burgen und Gärten Dresden GB Grabungsbericht 
LVSH Landesverein Sächsischer Heimatschutz
SHSAD Sächsisches Hauptstaats Archiv Dresden


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